Der Kameraführerschein als Beispiel für Methodenvielfalt in der inklusiven Medienarbeit. Gastbeitrag von André Naujoks
Der Kameraführerschein ist ein Angebot unseres Projekts „Gemeinsam in die Zukunft!“, das vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW gefördert wird. Ziel dieses Projekts ist die Unterstützung von Jugendeinrichtungen in Bonn bei der Umsetzung inklusiver Medienprojekte sowie die Entwicklung und Durchführung eigener Medienprojekte bzw. Angebote zur Medienkompetenzvermittlung für alle. Fotografie halten wir für ein probates Mittel des kreativen Selbstausdrucks, gleichzeitig lassen sich anhand dieses Mediums zahlreiche medienanalytische und -kritische Themen wie Bildmanipulation etc. verhandeln. Zugleich ist es ein niedrigschwelliges Medium: Die Bedienung scheint zunächst relativ simpel und Digitalkameras sind in fast allen Haushalten vorhanden. Trotzdem haben wir in unseren Medienprojekten die Erfahrung gemacht, dass die Jugendlichen zumeist lediglich „knipsen“ können und kaum in der Lage sind, gute und ausdrucksstarke Bilder zu erzeugen und weiter zu bearbeiten sowie die Möglichkeiten der Kamera zu nutzen. Daraus entstand die Idee, einen Kameraführerschein zu entwickeln und anzubieten.
Häufig wird angeführt, dass es wichtig ist für die Arbeit mit inklusiven Gruppen sich von der Fixierung auf ein bestimmtes „Ergebnis“ zu lösen und eher prozessorientiert zu arbeiten. Beim Kameraführerschein gibt es jedoch – anders als bei Medienprojekten wie z. B. der Erstellung einer Fotostory, bei der es flexibler möglich ist, ein Kind entsprechend seiner Fähigkeiten und Interessen einzubinden – sehr wohl ein konkretes Lernziel: nämlich das Bestehen einer Prüfung. Trotzdem – oder gerade deshalb! – ist es sehr wichtig, in den Methoden der Vermittlung sehr flexibel zu sein. Nicht der Weg ist das Ziel – sondern mehrere Wege führen zum Ziel!Der Kameraführerschein wurde mittlerweile bereits dreimal durchgeführt und jedes Mal mussten die Methoden der Inhaltsvermittlung an die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden der jeweiligen Lerngruppe angepasst werden: Dies betrifft sowohl die eher langsamem, als auch die schnelleren Lernenden. Inklusion heißt eben nicht, wie häufig befürchtet wird, dass das Lerntempo an den langsamer Lernenden ausgerichtet wird, sondern dass die Lernbedingungen individuell an die Bedürfnisse aller Lernenden angepasst werden.
Zunächst wurden verschieden Arbeitsblätter möglichst in einfacher Sprache und mit erklärenden Bildern oder Skizzen angefertigt. Praxisaufgaben wie eine Fotosafari und das Basteln einer Lochkamera lockern die theoretischen Einheiten auf. Mit Merksätzen, die die Inhalte eines Arbeitsblattes zusammenfassen, haben wir die Lernziele dargestellt. Die erste Gruppe kam mit den Arbeitsblättern gut zurecht. Es war jedoch notwendig, jede Lerneinheit auch mit dem praktischen Umgang mit der Kamera aufzulockern und das Gelernte in einer Aktion umzusetzen. Bei der zweiten Gruppe waren zwei Teilnehmerinnen unterfordert und wurden mit zusätzlichen Aufgaben und Materialien aus Fotobüchern versorgt. Es gelang auch, die Beiden in die Unterstützung der anderen, insbesondere bei der Gruppenarbeit, einzubinden.
Bei der dritten Gruppe war ein Arbeiten mit den Arbeitsblättern nicht mehr möglich. In dieser Gruppe hatten viele Teilnehmer starke Lese- und Rechtschreibprobleme. Auch wurden die Arbeitsblätter als zu nah an Schulmaterialien gesehen und abgelehnt. Die Praxisaufgabe „Lochkamera“ funktionierte noch sehr gut, aber bereits beim Arbeitsblatt „Blende“ ließ die Konzentration und Bereitschaft stark nach. Wir stellten daher spontan nur auf praktische Aufgaben um und so wurden zunächst „Selfies“ und danach Sporttaufnahmen (Sprungbilder) gemacht. Inhalte wie den „Goldenen Schnitt“ erklärten wir am selbst erzeugten Foto. Die Prüfung findet demnächst statt und ist in eine mündliche Variante geändert. Die Teilnehmenden können die Aufgaben als Gruppe lösen und erhalten bei erfolgreichem Bestehen den Kameraführerschein.