Filmausschnitt: Zwei Kinderschuhe mit aufgeklebten Augen kletten auf ein Sofa

Seminar zur inklusiven Medienarbeit an der Universität Oldenburg

Von Melanie Schaumburg

Wie lässt sich inklusive Medienarbeit in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit weiter voranbringen? Ein wichtiger Baustein – neben der Qualifizierung von Fachkräften, die schon länger beruflich aktiv sind – ist die Verankerung des Themas in der (fach-) hochschulischen Ausbildung pädagogischer Nachwuchskräfte. In diesem Gastbeitrag berichtet Melanie Schaumburg von der Universität Oldenburg über die Konzeption und Durchführung eines Seminars zur inklusiven Medienarbeit. Das Besondere dabei: Die Studierenden wenden das Gelernte direkt in der Praxis, d. h. in inklusiven Gruppen in Jugendeinrichtungen, an und führen ein eigenes inklusives Medienprojekt durch:

An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg wird für Studierende des Masters Erziehungs- und Bildungswissenschaften sowie für Studierende des Masters für Rehabilitationspädagogik zum zweiten Mal das Seminar „Inklusive Medienarbeit in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit“ angeboten. Das Seminar findet in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendtreff Offene Tür Bloherfelde statt. Im Rahmen des Seminars werden die Studierenden dazu befähigt, Medien selbst zu bedienen und als kreatives und soziales Artikulationsmittel zu nutzen. Darüber hinaus werden sie in die Lage versetzt, selbst medienpädagogische Lehr- und Lern-Situationen in heterogenen Gruppen zu planen und durchzuführen. Das Seminar ist unterteilt in Theorie- und Praxisphasen und findet über ein Semester (Oktober-Februar) statt.

Theoriephase I

Zur Einführung in die Theorie setzen sich die Studierenden mit dem Begriff der Inklusion auseinander, insbesondere auch mit dem eigenen Begriffsverständnis. In einem nächsten Schritt findet eine theoretische Einführung in die Medienpädagogik statt. Zentrale Begriffe, wie Medienerziehung, Medienkompetenz und auch Aktive Medienarbeit stehen hier im Mittelpunkt. Die Studierenden erfahren etwas über die Projektmethode und der Umsetzung von Projekten im Rahmen von außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit.

Screenshot aus einem Imagefilm über die OT Bloherfelde: Zwei lilafarbene Stöckelschuhe laufen über einen KickertischAnschließend werden die Besonderheit der inklusiven Medienarbeit thematisiert, wie beispielsweise Leichte Sprache, Nutzung von assistiven Technologien, Barrierefreiheit sowie interessante Methoden wie etwa Brainstorming/ Braindrawing oder Möglichkeiten der Visualisierung etc. Des Weiteren werden den Studierenden Methoden mit auf den Weg gegeben, um die Kinder bei der Entwicklung einer Geschichte zu unterstützen. Hierzu gehört unter anderem die so genannte W-Fragen-Technik (Wer macht was wann und wo) oder auch StoryCubes. Danach folgt eine erste Praxisphase.

Praxisphase I

Im ersten Praxisteil setzen die Studierenden ein eigenes Trickfilmprojekt um. Sie erhalten eine kleine Einführung in die Technik und erstellen dann in Kleingruppen einen eigenen Film. Dabei durchlaufen sie alle Projektphasen von der Entwicklung eines Projektplans sowie eines Storyboards bis hin zur Präsentation.

Theoriephase II/ Vorbereitungsphase

In der Vorbereitungsphase kommt das theoretische und praktische Wissen zusammen. Die Studierenden planen die Trickfilmtage im Kinder- und Jugendtreff Offene Tür Bloherfelde. Dafür teilen sich die Studierenden in Kleingruppen auf und es werden Aufgaben verteilt wie beispielsweise die Öffentlichkeitsarbeit, die Moderation der Veranstaltung, usw. Es wird gemeinsam ein Projektplan für die zweite Praxisphase erstellt. Jede Kleingruppe wird später eine Kinder- oder Jugendgruppe bei der Erstellung eines Trickfilms unterstützen. Neben der Organisation werden auch mögliche Bedenken und Ängste auf Seiten der Studierenden diskutiert und ausgeräumt wie beispielsweise:

Was tun, …

  • … wenn die Technik streikt?
  • … die Kinder keine Idee haben?
  • … Kinder nicht regelmäßig teilnehmen?
  • … wenn man selbst überfordert ist?

Wesentlich ist, den Studierenden zu vermitteln, dass sie nicht allein sind. Sowohl die erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Jugendtreff sind vor Ort, als auch eine erfahrene Medienpädagogin, die als „Feuerwehr“ fungiert, falls die Technik beispielsweise streikt, man sich überfordert fühlt oder andere Probleme auftauchen.

In der Vorbereitungsphase ist es auch Aufgabe der Studierenden, sich Themen zu überlegen, die sie ggf. den Kindern und Jugendlichen anbieten können (z.B. ein Screenshot aus einem Imagefilm über die OT Bloherfelde: Stühle hintereinander gereiht im Veranstaltungsraum, an der Decke hängen viele LuftballonsImagefilm für den Jugendtreff, ein Musikvideo zum aktuellen Lieblingslied, etwas zum Thema Liebe, …). Die Studierenden lernen auch etwas über die verschiedenen Tricktechniken (Pixilation, 2D-Legetrick, Brickfilm, …) sowie deren Vor- und Nachteile in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit. Entscheiden sich die Kinder für Pixilation, sollte man beispielsweise darauf achten, dass man nur kleine Episoden dreht, die an einem Nachmittag fertig werden, damit nicht in der nächsten Woche die Hauptdarstellerin fehlt.

Praxisphase II

Nun folgt das Herzstück dieser Veranstaltung. Die Studierenden werden direkt ins kalte Wasser geworfen – sie bieten einen Trickfilm-Workshop an. An vier Terminen jeweils von 16 – 19 Uhr können im Jugendtreff Trickfilme produziert werden. Für den Jugendtreff ist es ein freiwilliges Angebot für Kinder und Jugendliche von 8 – 15 Jahre.
Der Trickfilm-Workshop wird zum einen im Kinder- und Jugendtreff Bloherfelde beworben. Dies erreicht hauptsächlich die Kinder, die regelmäßig dort ein- und ausgehen. Zum anderen wird das Angebot im städtischen Veranstaltungskalender eingetragen sowie über die Pressestelle der Universität publik gemacht. Des Weiteren werden Träger der freien Wohlfahrtspflege wie beispielsweise die Lebenshilfe, Diakonie und Caritas über das Projekt informiert. Es können sich maximal 25 Kinder und Jugendliche anmelden.

Abschluss

Zum Abschluss des Seminars findet eine Reflexion statt. Was nehmen die Studierenden mit? Was lief gut und wo gab es Probleme? Usw.

Fazit

Trotz der Planung im Vorfeld sind die Studierenden besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Dies liegt vor allem an den Besonderheiten, welche die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit mit sich bringt. Das Angebot ist ein freiwilliges, das bedeutet aber auch, dass nicht immer klar ist, wie viele Kinder und Jugendliche kommen oder ob trotz Anmeldung in der nächsten Woche die gleichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dabei sind. Des Weiteren ist auch nicht klar, mit welchen unterschiedlichen Voraussetzungen die Kinder und Jugendlichen kommen, denn das Angebot wird als „inklusiv“ ausgeschrieben.

Im letzten Jahr sorgte beispielsweise besonders ein junger gehörloser Geflüchteter aus Syrien anfänglich für Irritationen bei den Studierenden. Wie soll man kommunizieren? Nach zaghaftem Beschnuppern, fing man an, mit Hilfe der Kamera zu kommunizieren. Man zeigte ihm, wie die Kamera funktioniert und wie man mit dieser Objekte zum Leben erwecken kann. Er nahm das Angebot an und fotografierte. Im Anschluss daran zeigte er seine Bilder. Danach fotografierten wieder zwei Studierende und zeigten die Bilder usw. Dies konnte man interessanterweise auch bei den Jugendlichen unter sich beobachten. Wenn er mit seinen Freunden auf den Sofas des Jugendtreffs abhing, zeigten sie sich gegenseitig witzige YouTube-Videos. Diese Selbstverständlichkeit und auch Leichtigkeit der Kommunikation war für die Studierenden sehr beeindruckend.

Dieses Beispiel zeigt, dass dieses Seminar den Studierenden eine interessante und auch herausfordernde Lernerfahrung ermöglicht. Von ihnen wird ein hohes Maß an Engagement sowie professionelles Arbeiten erwartet. Sie müssen sich als Team gut vorbereiten, sich Absprechen, ihre eigene Rolle finden und sich auf etwas gänzlich Neues einlassen.

Screenshot aus einen Trickfilm über die OT Bloherfolde: zwei rote Stöckelschuhe laufen über einen Billardtisch auf dem Scrabblesteine liegenFür den Kinder- und Jugendtreff ist es ein spannendes Angebot, um das eigene Programm zu erweitern. Durch das inklusive Angebot werden auch neue Zielgruppen angesprochen, die sonst vielleicht den Kinder- und Jugendtreff nicht besucht hätten.
Im ersten Durchlauf im Wintersemester 2016/17 wurde das Seminar von allen Beteiligten als Gewinn und Bereicherung wahrgenommen, sowohl von den Studierenden als auch von den Kindern und Jugendlichen, sowie MitarbeiterInnen aus dem Kinder-und Jugendtreff. Aus diesem Grund findet in diesem Wintersemester der zweite Durchlauf statt.

Ergebnisse

  • Der freche Schuh: Trickfilm, entstanden Im Rahmen einer medienpädagogischen Veranstaltung an der Uni Oldenburg in Kooperation mit dem Jugendtreff OT Bloherfelde
  • Imagefilm der OT Bloherfelde: Trickfilm, entstanden Im Rahmen einer medienpädagogischen Veranstaltung an der Uni Oldenburg in Kooperation mit dem Jugendtreff OT Bloherfelde

Infos zur Autorin

Melanie Schaumburg, Dipl. Sozialpädagogin und Bildungswissenschaftlerin (M.A.), derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg tätig