Von Veronika Reder
Das Jugendzentrum HiP des Kleiner Muck e.V. ist aus dem Bonner Stadtteil Neu Villich nicht mehr wegzudenken. Seit Eröffnung des Hauses im Jahr 2004 ist die Einrichtung zur festen Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche von 6 bis 21 Jahren geworden, in der sie ihre Freizeit aktiv gestalten, an verschiedenen Angeboten teilnehmen und sich mit Freunden treffen. Mit dem Kinder- und Jugendzentrum HiP wird jungen Menschen ein „Freiraum“ angeboten, den es „draußen“ oft nicht mehr gibt: Ein Ort zum Quatschen, Spielen, Toben, Basteln, Werken, Kochen, zum Musik hören und Entspannen.
Das Haus ist täglich für Kinder und Jugendliche aus der näheren Umgebung geöffnet. Das täglich wechselnde Programm sorgt für eine bunte Vielfalt an Angeboten und wird gemeinsam mit Besucher
:innen gestaltet. Personell ist das Kinder- und Jugendzentrum HiP mit einer Diplom-Sozialpädagogin und studentischen Aushilfskräften besetzt. Die Lebenslagen unserer Besucher:innen sind ebenso individuell wie vielfältig. Hier treffen unterschiedlichste Altersgruppen, Jugendkulturen, Gesellschafts- und Bildungsschichten, Nationalitäten, Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung usw. aufeinander. Ein Großteil unserer Besucher:innen stammt aus Auswandererfamilien. Die Herkunft, fremdes Aussehen, Sprachen und kulturelle Identität sind zentrale Themen, die ihr Leben begleiten. Wesentliches Ziel unserer Arbeit ist ein tolerantes Miteinander zu fördern und Unterschiede in jeglicher Hinsicht als Bereicherung zu erfahren. Jede und jeder bringt seine Stärken ein und kann sich aktiv an der Gestaltung unserer Angebote beteiligen. Jeder ist im Jugendzentrum HiP willkommen! Im Alltag müssen sie sich mit den verschiedensten sozialen Schwierigkeiten auseinander setzen. Jene unterschiedliche Merkmale und Gewohnheiten machen es möglich, Tag für Tag inklusive Vorgänge umzusetzen und zu beobachten. Insbesondere die gegenseitige Toleranz und ein soziales Miteinander werden dadurch stark gefördert. Alle Mitarbeiter:innen geben stets ihr Bestes, um diese Entwicklung im Alltag des offenen Treffs voran zu bringen. Dennoch entstehen immer wieder Probleme zwischen den Besucher:innen, welche die Mitarbeiter:innen, aufgrund der knappen Zeit nur begrenzt behandeln können. Um diesen Bedarf zu decken, werden verschiedene Projekte in unserem Jugendzentrum angeboten. Eines dieser Projekte nennt sich „Kochen ist HiP“. Dieses Projekt eröffnete uns neue Möglichkeiten die vorliegenden Probleme zu lösen. Gleichzeitig konnten wir dabei an die Interessen der Kinder und Jugendlichen ansetzen. Das Projekt „Kochen ist HiP“ wurde letztes Jahr erfolgreich durchgeführt. In diesem Projekt haben unsere Teilnehmenden einmal in der Woche verschiedene Gerichte selbständig gekocht, wobei sie zur selben Zeit auch gefilmt wurden. Anschließend wurden aus dem Material viele Kurzvideos erstellt. Einige davon wurden auf YouTube hochgeladen. Die Projektteilnehmenden waren über mehrere Wochen in Gruppen eingeteilt, und zwar mit Besucher:innen, mit denen sich die Teilnehmenden untereinander im offenen Treff in der Regel nur wenig Beachtung geschenkt hätten. Die Gruppen bildeten jeweils ein Team mit demselben Ziel. Dadurch konnten sich die Teilnehmenden auf eine neue Weise kennen lernen und soziale Erfahrungen gewinnen, die außerhalb ihrer gewohnten Clique liegen. Bei der Ideensammlung für das Projekt haben wir ein Hauptaugenmerk auf das Kochen gelegt, da viele Besucher:innen im offenen Treff gerne beim Kochen mithelfen. Umso leichter wurde die Suche nach geeigneten Teilnehmenden. Für das Projekt haben wir bewusst Kindern und Jugendliche gefragt, die einen Migrationshintergrund haben und auch jene, die im Alltag durch ihre körperliche Verfassung oder ihre Lernschwierigkeiten auffallen. Wir sprechen also von Kinder und Jugendlichen, die im Alltag den unterschiedlichsten sozialen Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Die potenziellen Teilnehmenden wurden von den Mitarbeiter:innen direkt angesprochen. Selbstverständlich musste jede:r Teilnehmende eine Einverständniserklärung ihrer Erziehungsberechtigten vorlegen, um an dem Projekt teilnehmen zu können. Insgesamt konnten elf Teilnehmenden für das Projekt gewonnen werden. Es handelte sich um Teilnehmende mit und ohne Inklusionsbedarf. Zwei Jugendliche konnten dabei als stark unterstützende Honorarkräfte fungieren.
Das Projekt sollte die Vielfalt der Teilnehmenden in den Mittelpunkt stellen und eine erfolgreiche Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit täglichen sozialen Problemen fördern. Die Teilnehmenden sollten ein Gefühl der Zugehörigkeiten entwickeln. Nicht zuletzt sollte das Zugehörigkeitsgefühl bestärkt werden, indem das Projekt völlig kostenlos angeboten wurde, da sich viele potenzielle Teilnehmende allein deswegen ausgegrenzt gefühlt hätten, weil die Kosten zu hoch für sie gewesen wären. Diese Erkenntnis haben wir aus vergangenen Projekten geschlossen. Aus verschiedenen Gesprächen fanden wir heraus, dass viele Kinder und Jugendliche gerne an Projekten teilgenommen hätten, wenn ihnen das nötige Geld zur Verfügung gestanden hätte. Das Projekt „Kochen ist HiP“ wurde deswegen bewusst kostenlos angeboten. Neben dem Zugehörigkeitsgefühl war es uns ebenso wichtig, dass die Teilnehmenden im Mittelpunkt stehen und sich auf ihre individuelle Weise präsentieren können. Durch die Darstellung und Mitwirkung des Videomaterials haben die Teilnehmenden eine neue Art der Aufmerksamkeit erhalten, die sie in dieser Weise bislang nicht gekannt haben. Das Projekt konnte den Teilnehmenden während der Dreharbeiten und auch bei der anschließenden Premiere ihre Stärken deutlich vor Augen führen. Diese Reflexion hat ihnen gezeigt, was sie können. Unser Projekt war demnach ein idealer Weg, um die individuellen Persönlichkeiten zu stärken und zu fördern. Ein weiteres Ziel unseres Projektes war es, die Medienkompetenz der Teilnehmenden zu fördern. Sie konnten während des Projektes erleben, wie Medien funktionieren. Auch die Bedienung der Kameras wurde ihnen näher gebracht. Die Teilnehmenden fanden großen Gefallen daran, selbst zu filmen und Fotografien zu erstellen. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit sich die Medienwelt selbst zu erschließen und neu zu bewerten. Zusammenfassend konnte das Projekt folgende Ziele erreichen:
- Stärkung des Selbstbewusstseins und Selbstvertrauens
- Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
- Förderung sozialer Kompetenzen
- Förderung von Fantasie und Kreativität
- Vermittlung von Toleranz und Respekt
- Entdeckung neuer Interessen und Talente
- Förderung von Durchhaltevermögen, Eigeninitiative, Entscheidungsfähigkeit und Flexibilität
- Stärkung des Beziehungsaufbaus zu den Teilnehmenden
- Aneignung und Förderung von Medienkompetenz
Die Teilnehmenden haben sämtliche Gerichte mit Hilfe von Rezepten gekocht oder gebacken, und mit ihrem jeweiligen Stil einzigartig gemacht. Die Zusammenarbeit mit anderen Teilnehmenden während der Dreharbeiten und bei der Premiere haben ein tolles Ergebnis hervorgebracht. Die mediale Begleitung des Projekts stellte sich als äußerst wichtig heraus, um Eigenreflexion und den Umgang untereinander zu fördern und unterstützte somit inklusive Prozesse. Für die Dreharbeiten wurden zwei
Filmkameras und eine Fotokamera benötigt. Des Weiteren wurde eine voll ausgestattete Küche, Zutaten und verschiedene Geräte, wie ein Mixer, Pürierstab, Töpfe und ähnliches benötigt. Zum Erstellen der Videos war ein Laptop und ein Video-Editor notwendig. Als Drehort bot sich das eigene Jugendzentrum gut an. Unser Team bestand aus einer Gruppenleiterin und zwei jugendlichen Honorarkräften. Das Projekt wurde in der Regel einmal wöchentlich durchgeführt. Der Zeitraum erstreckte sich von Oktober bis Dezember. Durchschnittlich wurden am Tag ca. vier Stunden für das Projekt investiert. Allerdings mussten vorher Vorbereitungen, wie etwa der Einkauf, getroffen werden. Bevor sich die Kinder vor die Kamera begeben, wurde stets vom Team betont, dass die Aufnahmen nicht perfekt werden müssen. Die Teilnehmenden sollten ohne Druck an das Projekt heran gehen und sich von ihrer Freude leiten lassen. Vor und während der Dreharbeiten wurden die Teilnehmenden stets gebeten, mit den anderen geduldig und friedlich umzugehen. Mit fortschreitender Zeit klappte dies einwandfrei. Die Kinder haben schnell gemerkt, dass es ganz gut ist, wenn sie nicht alle einheitlich und von nur einer Norm geprägt sind. Sich gegenseitig zu helfen war für alle Beteiligten schnell eine Selbstverständlichkeit. Seitens der Betreuer:innen war es an diesen Stellen sehr wichtig, die Taten aufzugreifen und die Teilnehmenden zu loben. Am Ende des Projektes konnten wir viele Kurzvideos erstellen und eine Premierenfeier anbieten. Das leitende Team war äußerst positiv überrascht, dass die Kinder in ihren jungen Jahren so taff vor der Kamera agieren konnten. Mit der Zeit wurden ihre Videos souveräner, was nicht zuletzt durch die Zielsetzung hervorgerufen wurde. Außerdem konnten wir feststellen, dass Kinder, die sonst eher ruhig sind, endlich den Mut hatten zu Wort zu kommen. Die Teilnehmenden hatten sich im ausgiebigem Maße ausprobiert und sogar neue Freunde gefunden. Schwierige und problematische Situationen ergaben sich nur am Anfang. Hier waren die Kinder recht schnell voneinander genervt und sauer, wenn ein anderer nicht so agiert hat, wie es in ihren Augen richtig gewesen wäre. Nach einem Austausch konnte dies immer schnell aus der Welt geräumt werden. Was hier als ein anfänglich negativer Punkt erscheint, stellt sich für die Kinder als wichtige Lektion heraus, aus der sie viel gelernt haben. Ansonsten ist es uns im Team aufgefallen, dass die Teilnehmenden sehr viel Wert darauf gelegt hatten, dass ihre Aufnahmen perfekt werden, damit sie möglichst viele Likes auf YouTube bekommen. Dieser Punkt wurde während des Projektes immer wieder mit den Teilnehmenden diskutiert. Gleichzeitig haben wir an dem Selbstwertgefühl der Teilnehmenden gearbeitet, sodass sie sich nicht nur von den Likes der Medien leiten lassen. Wir haben schnell zur Kenntnis genommen, dass an dieser Stelle noch ein hoher Aufklärungsbedarf liegt, der auch künftig noch gedeckt werden muss. Immerhin haben wir es im Laufe des Projektes geschafft, dass sich die Teilnehmenden immer weniger dafür interessieren, wie sie vor der Kamera dar stehen. Der Spaß-Faktor hat im Laufe des Projektes das Zepter in die Hand genommen. Das Projekt war ein voller Erfolg. Wir haben viele wichtige Ziele erreichen können. Die Teilnehmenden waren stets motiviert und voller Energie. Wir konnten den Teilnehmenden nicht nur helfen, sondern auch neue „Baustellen“ entdecken. Die Kinder und Jugendlichen waren von dem Projekt so sehr begeistert, dass sie sich kurz nach Ende des Projektes nach dem nächsten Koch-Projekt erkundigt hatten. Auch die Eltern waren von den Ergebnissen beeindruckt. Wir können jedem ein solches Projekt empfehlen!
Infos zur Autorin
- Veronika Reder
- Studentin der Universität Siegen, Soziale Arbeit im 6. Semester
- Honorarkraft im Jugendzentrum HiP
- Projektleiterin Kochblog
- Kontakt: Veronika.reder@jugendzentrum-hip.de