Von David Krützkamp & Johannes Benedix.
Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Digitalisierung fördern – das versuchen wir mit unserem Projekt NetzStecker. Für das Projekt, initiiert von der Lebenshilfe Münster und für drei Jahre gefördert von der Aktion Mensch, sind Menschen mit geistiger Behinderung die Kern-Zielgruppe und Ausgangspunkt all unserer Überlegungen rund um digitale Barrierefreiheit.
Durch die technischen Entwicklungen des letzten Jahrzehnts haben sich für Menschen mit Behinderung große Chancen aufgetan, in mehr gesellschaftlichen Bereichen teilzuhaben. Das gelingt am Besten, wenn auch Assistentinnen und Assistenten – wo immer nötig – bei der Benutzung von Smartphones, Smart Home-Geräten oder assistiven Technologien unterstützen können. Funktioniert dies nicht, tritt der gegenteilige Effekt ein: Der Digital Divide zwischen Menschen mit und ohne Behinderung wird größer – eine weitere Ausgrenzung und Ausschluss von vielen Lebensbereichen ist die Folge. Daher ist es nötig, Fachkräfte aus dem Bereich der Behindertenhilfe und Medienpädagog:innen näher zusammenzubringen, mehr Angebote der Medienbildung zu machen und mit offenen Augen hinsichtlich der Teilhabechancen für Menschen mit Assistenzbedarf durch die Online-Welt zu gehen. Unser Projekt läuft seit dem 01.05.2017. Zeit genug, um ein paar gute Erfahrungen zu sammeln – vier Stück davon möchten wir gerne hier teilen.
1. Beratung braucht Zeit – ein Luxus, der sich lohnt
In unserem Projekt bieten wir Beratung, unter anderem zu Smartphones, Tablets und sozialen Medien an. Diese richtet sich an Menschen mit Behinderung, aber auch an Angehörige und Fachkräfte. Durch die Förderung der Aktion Mensch ist es uns möglich, unsere Beratung kostenfrei anzubieten. Das ist für uns wichtig, da unser Angebot dadurch niederschwellig wird. Das Angebot ist auch niederschwellig, weil es in Bezug auf die Anliegen und Fragestellungen offen ist. Das heißt: Wir beraten und unterstützen bei Allem von der Ersteinrichtung eines Smartphones über Möglichkeiten der barrierefreien Bedienung bis hin zum Erstkontakt bei Cybermobbing oder Formen des problematischen Medienkonsums – typische Fragestellungen gibt es nicht. Die Fragen sind so unterschiedlich, wie die Menschen die sie stellen.
Zentrale Erkenntnis nach über 100 Stunden Beratung: Man braucht Zeit! Daher nehmen wir uns für jeden Termin mindestens eine Stunde – und die brauchen wir im Regelfall auch. Wir sind kein Einstell-Service, sondern versuchen, nachhaltig Kompetenz zu vermitteln. Das heißt: Wir erklären alle Schritte, üben gemeinsam die Bedienung von Geräten und machen das gerne auch wieder von vorn. Man merkt, ob die Menschen schon viel oder erst wenige Berührungspunkte mit digitalen Medien hatten – z. B. wenn es um die haptische Bedienung der Geräte geht: Da haben auch wir gelernt, wie viele Nuancen von tippen, klicken oder drücken überhaupt existieren. An der Stelle ist es dann wichtig, einerseits Raum für das kreative Ausprobieren zu lassen und andererseits zu versuchen, immer noch weiter zu vereinfachen.
Die Grenze unseres Angebots ist dann erreicht, wenn es darum geht, dass die Technik nicht mehr zur Befähigung und Teilhabe eingesetzt werden soll, sondern um zu überwachen und einzugrenzen, ohne mit den Betroffenen selbst ins Gespräch zu gehen. Etwa beim Thema der Online-Pornographie oder beim GPS-Tracking. Das machen wir nicht, weil es gegen unsere Prinzipien geht. Uns ist auch bewusst: Wir können nicht alles und haben nicht für alles die Kompetenz – einen akuten Cybermobbing-Fall fachlich gut aufzufangen haben wir beispielsweise nie gelernt. Daher vermitteln wir in diesen Fällen direkt weiter an kompetente Netzwerkpartner vor Ort – was uns zur nächsten Erkenntnis bringt:
2. Vernetz dich glücklich! Das Projekt NetzStecker. Teil 2
3. Frag die Menschen, was sie wollen – unsere Arbeitsgruppe. Das Projekt NetzStecker. Teil 3