Junge Menschen bei der Filmaufnahme

Aktion – Mein Stadtteil

Ein Projekt des Bennohaus Münster. Bericht von Olga Kuleshova

Das Projekt „Aktion – Mein Stadtteil“ ist ein Medien- und Bildungsprojekt, das sich sowohl an Menschen mit Migrationshintergrund als auch an integrationskritische Menschen der Aufnahmegesellschaft richtet. Ziel ist die Integration von zugewanderten Menschen in Münster zu erleichtern, z. B. durch das Finden von Gemeinsamkeiten, Respektieren von Unterschieden und die Übernahme von gemeinschaftlicher Verantwortung. Olga Kuleshova, Medientrainerin im Bennohaus Münster über die verschiedenen Angebote des 3jährigen Projekts, das im Herbst 2016 gestartet ist:

Gemeinsam feiern am 9.Juli 2017

Jährlich gibt es ein interkulturelles Stadtteilfest. Syrien, Kosovo oder Afghanistan sind nur einige der Regionen, aus denen die Zugewanderten stammen, die nach Mu?nster kommen in der Hoffnung auf ein friedliches Leben. Was sie mitbringen ist materiell nicht viel, manchmal nur das, was sie am Leibe tragen. Aber Köpfe und Herzen sind randvoll mit Erfahrungen bewegter Leben. Und kulturellem Reichtum: Musik, Tanz, Handwerk, leckeres Essen sowie Mitmach-Aktionen fu?r Groß und Klein prägen das interkulturelle Programm der Veranstaltung, die mit aktiver Beteiligung der Familien auf die Beine gestellt wird. Aktuell sind wir voll in der Planung des Stadtteilfests, das in diesem Jahr am 9. Juli 2017 stattfindet – mit einem interkulturellem Bühnenprogramm und Buffet, vielen Mitmach-Schmink- und Bastel-Aktionen für Kinder und Medienangebote für Jugendliche (z. B. Fotos vor dem Greenscreen).

Münster kennen lernen mit QR-Code-Rallye

Zwei Mal im Jahr findet das Familienangebot „Erkundung unserer Stadt(teile)“ statt. Hierbei kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, insbesondere Medienarbeit. Geplant sind beispielsweise QR-Code-Rallyes durch die beteiligten Stadtteile und die Stadt Mu?nster, die zusammen mit den Kooperationspartnern entwickelt werden. An den Stationen beantworten Kinder und Erwachsene Fragen, lösen Rätsel und Aufgaben. Sie erhalten Fakten zur Station oder Hinweise zur nächsten Station. So wandern sie gemeinsam durch ihren Stadtteil: Spaß am Rätseln verbindet sich dabei mit Wissenserwerb! Zugleich wird beim Lösen der Aufgaben in Gruppen die Kommunikation untereinander gefördert. Zum Teil werden auch hilfreiche Anlaufstellen für neu Zugewanderte in die Route eingebaut (z. B. Vereine und Organisationen fu?r Migranten und Geflüchtete). Entscheidend ist, dass jede Rallye  – genau wie das Stadtteilfest – mit Beteiligung der Bu?rger, Kinder und Jugendlichen konzipiert wird. An einem Samstagnachmittag Ende September 2016 fand die erste dreistündige QR-Code-Aktion mit Familien aus dem Stadtteil statt. Anschließend lud das Projektteam alle großen und kleinen Beteiligten zu Kaffee und Kuchen ins Bennohaus ein, wo sich noch bis in den Abend ausgetauscht wurde.

Vorurteile abbauen mit interkulturellen Trainings

Wo Angehörige verschiedener Kulturkreise aufeinander treffen, kann es leicht zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kommen. Ein zweimal jährlich angebotenes, interkulturelles Training unterstützt alle Bürgerinnen und Bürger, sich auf Kommunikationsunterschiede vorzubereiten, Vorurteile ab- und interkulturelle Kompetenz aufzubauen. Im Training soll es um einen bewussten, kritischen Umgang mit Stereotypen, Akzeptanz fu?r andere Kulturen und Überwindung von Ethnozentrismus gehen. Gemäß unseres partizipativen Ansatzes möchten wir die Familien und die Bu?rger der beteiligten Stadtteile dazu aufrufen, die inhaltliche Gestaltung dieses Angebotes mit uns gemeinsam zu gestalten und selbst als Ko-Trainer zu agieren. Auch konkrete Situationen aus dem Alltag und der Nachbarschaft können gemeinsam behandelt werden.

Bei der Vorbereitung des Projekts wurde uns klar, dass wir das vorgesehene Training zunächst mit unseren eigenen Mitarbeitern und den ehrenamtlich Tätigen durchführen müssen. Um unseren Projektteilnehmenden –  Menschen unterschiedlicher kultureller, religiöser und sozialer Herkunft; Jugendliche, die sich zum Teil in schwierigen Lebenslagen befinden – gerecht zu werden, wurde das Team zwei Tage lang geschult zu Fragen wie: Wie begegne ich Menschen aus anderen kulturellen Kreisen oder integrationskritischen Personen? Worauf soll ich in der Kommunikation und Interaktion mit ihnen achten? Wie deeskaliere ich? Die zweitägige Schulung mit vielen praxisbezogenen Übungen, Trainingseinheiten und Rollenspielen wurde Ende September mit ca. 15 Teilnehmenden durchgeführt und war sehr erfolgreich. Auf dieser Basis entwickeln wir ein interkulturelles Training für Kinder und Erwachsene.

Das Leben der anderen: Biografische Videoproduktionen

Im gesamten Projekt kommen wir eng mit den alten und neuen Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch: Biografien, Lebens- und andere interessante Geschichten wollen wir mit Videoproduktionen dokumentieren, um verschiedene Lebenswelten darzustellen und Beispiele für ein erfolgreiches Miteinander zu präsentieren. Dafür kann das Bennohaus seine mediale Kompetenz und Infrastruktur nutzen, um die Projektteilnehmenden und die Öffentlichkeit besser zu erreichen. Im  Projekt sollen bis zu 20 Videobeiträge durch die Medientrainer des Bennohauses erstellt werden unter aktiver Beteiligung der Porträtierten: Sie können selbst können die Kamera in die Hand nehmen und die Produktion im Medientrainerteam mitgestalten. Seit November 2016 wurden schon viele verschiedene Videos aufgenommen. In Kooperation mit der Diakonie, verschiedenen Schulen und dem Sprachzentrum entstanden Filme und Interviews zu verschiedenen Themen, z. B.: „Was bedeutet für mich das Grundgesetz?“, „Erfahrungen im deutschen Schulalltag: Was fiel leicht, was war schwer, welche Unterschiede gibt es zu früher?“, „Wie verhalte ich mich in Deutschland richtig?“.

Sommer-Medien-Camps für alle

Jährlich finden einwöchige Camps in den Sommerferien zur Sensibilisierung und Kompetenzstärkung von Heranwachsenden aus Zuwandererfamilien und Aufnahmegesellschaft statt. In Workshops bearbeiten die 12 – 15jährigen Teilnehmenden Themen wie Religions- und Meinungsfreiheit, Vorurteile und Identitätsfindung, Diversity und Toleranz. Jedes Thema wird medial aufbereitet, indem die Jugendlichen mit verschiedenen Medien arbeiten und eigene Medienprodukte erstellen: Sie berichten über ihre Lebenswirklichkeit, erzählen ihre (Familien-) Geschichte und erarbeiten sich neue Handlungsmöglichkeiten, Akzeptanz und Respekt. Darüber hinaus gibt die intensive Arbeit innerhalb einer Woche den Raum, eigene Hoffnungen und Träume zu thematisieren. Die Jugendlichen bekommen Anregungen und konkrete Methoden an die Hand, um ihr Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein zu steigern, z. B. durch Theater-Workshops. Weitere inhaltliche Schwerpunkte sind: Stärken- und Potenzialanalyse, Sprachförderung, Kommunikationstraining, Selbstpräsentation, Konfliktbewältigungsstrategien, Teamcoaching, gewaltfreie Kommunikation, typische Männer- und Frauenrollen und kulturelle Unterschiede. Nach Projektabschluss wird das Sommer-Camp Konzept in das Programm des Bennohauses übernommen und jährlich angeboten.

Aktionstage „Ich bin stark!“ für Jungen und Mädchen aus Zuwandererfamilien

Die Aktionstage „Ich bin stark“ sprechen gezielt Mädchen und Jungen aus Zuwandererfamilien an. In der Arbeit mit den Mädchen geht es um die Stärkung ihres Selbstwertgefühls und Selbstbewusstseins. An den Aktionstagen wird Mädchen ein emanzipiertes Wertesystem und die Bedeutung von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Mann und Frau vermittelt. Auf der Basis von Selbstbehauptungseinheiten und theaterpädagogischer Methoden verbessert sich die Selbst- und Fremdwahrnehmung: Die Mädchen sollen gängige Rollenklischees hinterfragen und sich selbst und ihr Verhalten reflektieren. Die Selbstbehauptungseinheiten helfen den Mädchen ihren persönlichen Raum zu definieren und auch einzufordern: Sie lernen ihre Grenzen deutlich zu vermitteln. Ähnlich werden die Aktionstage mit den Jungengruppen organisiert. In der Arbeit mit den Jungen geht es um Schwerpunkte wie männliche Identität, Lebensplanung, kulturell geprägte Rollenbilder, Verlust der Heimat, Familie oder Peers sowie Selbstsicherheit, Konfliktlösungsstrategien, Kommunikation und Problematiken, die aufgrund der mangelnden Kenntnisse in der deutschen Sprache entstehen können. Über 30 Jungen und Mädchen wurden bist jetzt im Rahmen der Aktionstage erreicht, die in Zusammenarbeit mit der Marthin-Luther-King-Schule organisiert wurden.

Für dauerhafte Vernetzung

Mit dem dreijährigen Projekt möchten wir eine Basis für eine stabile, dauerhafte Vernetzung schaffen. Ein Runder Tisch mit Beteiligung von Vereinen, Bildungseinrichtungen, Jugend- und Migrantenorganisationen sowie Vertretern aus der Wissenschaft und Politik wird einberufen, um Projektaktivitäten vor- und nachzubereiten und um weitere Maßnahmen zu entwickeln und langfristige Konzepte aufzustellen. Der Runde Tisch wird durch das Projektteam des Bennohauses moderiert und dient als Ideen-Labor zur Entwicklung neuer Methoden, um beispielsweise integrationskritische Bürger anzusprechen. Einmalig findet ein Netzwerk-Symposium in der zweiten Projekthälfte statt. Hierbei werden alle bisherigen Projektergebnisse mit ausgearbeiteten Empfehlungen vorgestellt. Methoden der nicht-sprachlichen Kommunikation sind bei der Herstellung der ersten Kontakte und Dialoginitiierung von großer Bedeutung. Deshalb wird dazu im Rahmen des Symposiums ein Sensibilisierungsworkshop angeboten.

Zwischenfazit

Insgesamt konnten wir bisher alles, was wir im Projekt „Aktion – Mein Stadtteil“ geplant haben, erfolgreich umsetzen. Auffällig war jedoch, dass bei der Stadtteilaktion „Ostereiersuche“ – entgegen unserer Intention – eher wenig Leute mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung mitgemacht haben. Das konnten wir uns nur so erklären, dass dieser Feiertag aus der Perspektive von Leuten mit Migrations- und Fluchthintergrund eher als ein religiöserer Feiertag gesehen wird – und nicht als ein Tag, den man auch „einfach so“ mit seiner Familie feiern und verbringen kann. Das hat uns noch mal deutlich vor Augen geführt, wie wichtig bei so einem Projekt interkulturelle Kompetenz und Sensibilität ist. Dazu gehört vor allem auch, nicht nur „durch seine eigene Brille“ zu schauen, sondern sich zu fragen, welche Perspektive andere vielleicht haben.

Weitere Infos

Olga Kuleshova
Medientrainerin
Mediending Münster im Bürgerhaus Bennohaus

Im Rahmen des Projekts suchen wir fortlaufend weitere Partner und Einrichtungen! Bei Interesse melden Sie sich mit dem Betreff “Aktion – Mein Stadtteil” per E-Mail an Olga_Kuleshova@gmx.de!

Weitere Infos zum Start des Projekts