Tablets mit Lese-Apps

Barrierefreie Lernsoftware und Apps für inklusives Lernen, Teil 3

Lesen, Schreiben, Rechnen

Im dritten Teil unserer Serie geht es um Apps, die die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen fördern. Lern-Apps für die verschiedensten Lernbereiche gibt es mittlerweile wie Sand am Meer, viele von ihnen sind jedoch für Kinder mit Lernschwierigkeiten noch zu schwierig oder bieten zu wenig Differenzierungs- und Anpassungsmöglichkeiten oder sind zu wenig an spezielle Lernbedarfe angepasst. Oder es gibt sie nur auf Englisch. Man kann auch nicht sagen, dass es DIE App für DIE Lernschwierigkeit gibt, dazu sind die Bedarfe einfach zu verschieden: Für manche Kinder muss eine App extrem reizreduziert und ablenkungsarm sein. Für ein anderes Kind gilt das genaue Gegenteil und es bedarf eher stärkerer, visueller und akustischer, Reize, um das Kind überhaupt zu motivieren.

Quizmaker und Bitsboard: Lerninhalte selbst erstellen

Screenshots: Beispiele für Quiz-Maker-Quiz

Jedes Kind ist anders, jedes lernt individuell. Das gilt noch viel mehr für Kinder mit Förderbedarf im Bereich Lernen. Hierbei sind die Anforderungen manchmal so individuell, dass es generell schwierig ist, ein passendes Lernmedium „von der Stange“ zu finden. Das gilt zum Beispiel dann, wenn Kinder mit Autismus eher kind-untypische Spezialinteressen aufweisen. Hier hilft dann nur: Selber machen. Eine App, die es ermöglicht Lerninhalte auf einfache Art und Weise selbst zu erstellen, ist die App Quiz-Maker (iOS) von Benno Lauther. Die App ermöglicht es auf einfache Weise ganz individuelle (Lern-) Quiz zu erstellen. Die App ist vor allem deshalb einen Blick wert, da sie auf Deutsch ist. Das heißt, es gibt auf der Webseite ein umfangreiches, aber leicht verständliches Tutorial auf Deutsch sowie bereits jede Menge fertige Lern-Quiz auf Deutsch zum Herunterladen. Ein Blick in den Downloads-Bereich der Quizmaker-Seite lohnt sich also, vielleicht muss man dann doch nicht mehr ganz so viel selbst machen!

Screenshot: Einige Lernspiele der App Bitsboard

Die gleiche Möglichkeit, Lerninhalte individuell zu gestalten – und darüber hinaus noch viele weitere! – bietet die Apps Bitsboard (iOS). Hiermit lassen sich Spiele, Quiz, Memorys, Kreuzworträtsel usw. komplett individuell gestalten, zum Beispiel mit eigenen Fotos, die den aktuellen Interessen und Vorlieben eines Kindes entsprechen. Bitsboard ist ebenfalls komplett barrierefrei: Das heißt, sie ist tasterbedienbar und es gibt Anpassmöglichkeiten für sehbehinderte Lernende. Nachteil: Die App ist auf Englisch. D. h. Wenn man die Sprachausgabe nutzen will, muss man alles komplett selbst vertonen und neu einsprechen.

Li La Lolle und Letterschool: Erste Buchstaben, Silben und Wörter

Screenshot der App Lilalolle

Die App „Inklusives Lernen: Lesen und Schreiben mit Li La Lolle“ wurde von Carsten Weißbach und Petra Matouschek entwickelt und basiert auf der Arbeit der pädagogischen Praxis von Carsten Weißbach, der u. a. die Methode des Frühen Lesens zur Sprachförderung von Kindern mit Down Syndrom einsetzt. Die App ist zurückhaltend, aber ansprechend in „Holzoptik“ gestaltet und bietet vier Bereiche an, die aufeinander aufbauen:

  1. Grafomotorische Übungen, bei denen Formen nachgespurt werden sollen, fördern die Feinmotorik und die Auge-Hand-Koordination. Der Toleranzbereich beim Nachspuren ist einstellbar.
  2. Buchstaben zum Nachspuren: Die Buchstaben werden dabei als Laute gesprochen und ein Anlautbeispiel gezeigt. Außerdem gibt es Anleitungsfilme, bei denen Handlungen und Gebärden zu den Buchstaben ausgeführt werden, um „abstrakte“ Buchstaben konkreter zu verknüpfen.
  3. Insbesondere der Bereich „Silbenbildung und erste Hauptwörter“ ist für Kinder mit Lernschwierigkeiten interessant, da diese häufig mit der Synthese von Buchstaben zu Wörtern Schwierigkeiten haben und hier noch mal ein wichtiger „Zwischenschritt“ eingebaut wird, um konkret dies zu üben: Buchstaben werden zu Silben und zwei Silben zu lautgetreuen Hauptwörtern zusammengefügt (z. B. P-A, PA-PA)
  4. Im Bereich „Wörter“ sollen einfache, lautgetreue Wörter (z. B. Zebra) geschrieben und gelesen werden. Hier lässt sich der Schwierigkeitsgrad gut anpassen, z. B. durch Buchstabenvorschau, Farbunterstützung etc.

Screenshot der App Letterschool: Gezeigt werden die verschiedenen Nachspur-Aufgaben

Die App Letterschool (iOS, Android) übersetzt das „Buchstaben-Nachspuren-Prinzip“, das man auch von klassischen Malheften für die Vorschule kennt, für das Tablet. Kinder werden damit an die Buchstaben herangeführt und lernen spielerisch die Formen von Buchstaben auszuführen. Kinder, die nicht mit dem Stift schreiben können, können auf die Tablet-Variante zurückgreifen, aber auch für alle anderen Kinder bieten Nachspur-Apps Spaß am ersten Buchstaben-Schreiben. Die Letterschool-App ist optisch z. B. im Vergleich zu Lilalolle-App deutlich weniger schlicht und reizreduziert gestaltet, sondern bietet im Gegenteil viel Bling Bling und Animations-Konfetti. Hier gilt es abzuwägen, ob dies für das Kind vielleicht zu viel ist – oder eben genau das Richtige, um es für die erste Bekanntschaft mit Buchstaben und Zahlen zu motivieren. Das Anlaut-Beispiel zu Beginn der Buchstabenvorstellung ist jedoch in englisch und daher nur teilweise passend (z. B. „R = Robot“).

Wortzauberer und Schreiben und Lernen LDS

Screenshot der App Wortzauberer

„Wortzauberer“ (iOS) ist eine Art „sprechende Buchstabentafel“, mit der Kinder erste Wörter (oder auch einfach nur Quatsch) schreiben können. Der Clou dabei: Alles Geschriebene wird vorgelesen. Dabei gibt es verschiedene Anpassungsmöglichkeiten: Entweder wird der Buchstabe oder der Laut vorgelesen. Es gibt männliche und weibliche Stimmen, die Vorlesegeschwindigkeit ist einstellbar. Die App ist sehr hübsch und bunt, kann aber individuell auch schlicht (zum Beispiel mit weißem Hintergrund) gestaltet werden. Es stehen verschiedene Tastatur-Layouts (ABC oder QWERTZ) zur Verfügung, die Buchstaben können als Klein- und Großbuchstabe in Druck- oder Schreibschrift wiedergegen werden. Zusätzlich kann gezielt die Rechtschreibung von Wörtern geübt werden, dazu steht eine Rechtschreibprüfung zur Verfügung und verschiedene Wörterlisten. Eigene Wörterliste können natürlich hinzugefügt werden.

Screenshot der App Schreiben und Lernen LDS

Auch mit der App „Schreiben und Lernen LDS“ (iOS) können Kinder eigenständig die Welt der Buchstaben, Wörter und Texte erobern. Die App beruht auf dem pädagogischen Konzept des „Lesen durch Schreibens“, d. h. es wird keine Rechtschreibprüfung durchgeführt! Auch bei dieser App wird alles vorgelesen, und auch lässt sich das Vorlesen anpassen: Buchstaben- oder lautweise, Wort- oder Satzweise, Geschwindigkeit, Tonhöhe etc. Die App besitzt 3 Modi: Buchstabe, Wort, Text. Im Modus Buchstabe wird z. B. ein Buchstabe vorgelesen, der dann geschrieben werden muss. Im Modus Wort wird ein einfaches Bild eingeblendet (z. B. Auto), daneben 4 Platzhalter. Es gibt verschiedene Hilfe-Funktionen, die beim Finden der Buchstaben und Wörter helfen. Die Modi werden in diesem Artikel des Blogs bestekinderapps.de genauer beschrieben, das Layout der App wurde mittlerweile aber stark überarbeitet und weniger retro gestaltet.

Lexico Verstehen und SpeechCare LRS: Sprache fördern

Screenshot der App Lexico Verstehen

Diese Apps wurden speziell zur Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten, z.B. Sprachentwicklungsverzögerungen und LRS entwickelt und sind daher verhältnismäßig teu(r)er. Die App Lexico Verstehen (IOS) kann man aber auch in einer kostenfreien Gratis-Version testen. Sie soll durch verschiedene Spiele und Aufgaben die Sprachentwicklung von Kindern spielerisch fördern, dabei werden alle Fragen vorgelesen, so dass die App auch für Vorschulkinder nutzbar ist, zumal der Aufbau einfach und die Benutzerführung logisch ist. Ziele sind Training des Sprachverständnisses, Wortschatzbildung, Merkfähigkeit und das auditive Training.

Screenshot der App SpeechCare LRS

SpeechCare LRS (iOS, Android) richtet sich an Menschen mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Es enthält zahlreiche Übungen: Wort-Bild-Zuordnung (und dabei die richtige Schreibweise erkennen), Groß/Kleinschreibung, Buchstaben sortieren auf Wortebene, Fehler finden auf Satzebene, Lückenwort aus Auswahl ergänzen, Lange / kurze Vokale differenzieren, er-Endung, Auslautverhärtung…Es gibt Hilfen und Anpassungsmöglichkeiten: Man kann auswählen, welchen Bereich man üben will. Falsch beantwortete Übungen lassen sich in Wiedervorlage setzen. Es gibt eine optionale Video-Hilfe. Schwierigkeitsgrad, Zeit- und Aufgabenlimit sind einstellbar.

Fingerzahlen, Rechnen mit Wendi, PreNumbers: Mengenverständnis und erstes Rechnen

App Fingerzahlen Fingermengen von Christian Urff„Fingerzahlen – Fingermengen“ (iOS) und „Rechnen mit Wendi“ (iOS, Windows, Mac OS X) sind zwei von etlichen weiteren Apps von Christian Urff. Die Mathe-Apps des Förderpädagogen basieren dabei auf Prinzipien und Ansätzen der Montessori-Pädagogik und bauen aufeinander auf. Bei der App „Fingerzahlen – Fingermengen“ geht es ganz grundlegend um das schnelle Erfassen von Mengen im Zahlenraum bis 10. Interessant ist dabei, dass dabei – wie anfangs im „Real Life“ auch – alle 10 Finger zum Einsatz kommen: Es werden entweder Mengen oder Zahlen (oder ganz einfache Rechenaufgaben) eingeblendet, die mit der entsprechenden Anzahl der Finger simultan auf den Display „getoucht“ werden müssen. Dabei läuft die Uhr, je schneller man ist, desto mehr Punkte gibt es. „Rechnen mit Wendi“ ist wie alle Apps von Christian Urff extrem schlicht und reizreduziert gestaltet. Die App wurde laut Urff speziell für die Förderung von Kindern mit besonderem Förderbedarf beim Erwerb mathematischer Kompetenzen (Rechenschwäche, Dyskalkulie) in Grund- und Förderschule für den Anfangsunterricht Mathe konzipiert. Das Programm bietet viel mehr als nur die Ausgabe von „Richtig“ oder „Falsch“, sondern ist mit vielen didaktischen Hilfen für Kinder mit Rechenschwäche ausgestattet, z. B. Visualisierungshilfen. Außerdem ist die App tasterbedienbar, so dass auch Kinder mit schweren motorischen Einschränkungen die App nutzen können. Als Anreiz ist die kleine, grüne Strichfigur Wendi eingebaut – der Name basiert auf den in der Montessoripädagogik eingesetzten Wendeplättchen mit blauer und roter Oberseite, die eingesetzt werden um die Zu- und Abnahme von Mengen bei einfachen Rechenoperationen wie Plus und Minus zu visualisieren. Wendi läuft gegen ihre böse Stiefschwester um die Wette: Bei jedem richtigen Ergebnis rückt Wendi eins vor, bei einer falschen die böse Stiefschwester. Einen Eindruck von den Möglichkeiten der App kann man sich per Video verschaffen.

Screenshot der App PreNumbers

Ebenfalls auf den Anfangsbereich der Mathematik zielt die optisch zwar einfach, aber sehr ansprechend gestaltete LifeTool-App PreNumbers (iOS, Android). Folgende Fähigkeiten werden in verschiedenen Übung gefördert: „Dinge nach bestimmten Merkmalen sortieren können, Dinge in Klassen mit bestimmten Merkmalen einteilen können, Formen erkennen und unterscheiden können, Mengen erfassen und vergleichen können, Serialität erkennen (logische Reihenfolgen erkennen und fortsetzen, Symmetrien und Muster erkennen“.

Lern-Apps von Marc Sockel

Screenshot der App Silbenlotto

Marc Sockel ist ebenfalls Förderpädagoge und seine schlicht, aber ansprechend gestalteten Lern-Apps werden in diesem Kontext häufig erwähnt. Seine Lern-Apps decken die Bereich Deutsch, Mathe, aber auch (Formen-) Wahrnehmung, Konzentration und logisches Denken ab und sind zum Teil sehr spielerisch gestaltet, wie zum Beispiel Silben- und Mengen-Lotto: hier wird die Erfassung von Silben und Mengen als Grundlage für das synthetische Lesen und Mathe-Verständnisses in Form eines Lotto-Spiels geübt. Aber auch Phonetic Birds zur auditiven Diskriminierung und die Wahrnehmungsschule zur optischen Differenzierung und Merkfähigkeit verbinden Lerninhalte mit Spielspaß.

Weitere Lern-App-Tipps

Es gibt natürlich noch viele weitere interessante Lern-Apps für verschiedene Bereiche, zum Beispiel bieten auch die klassischen Lernmedien-Verlage gute Apps an. Die Apps-Listen auf dem UK-App-Blog sind für alle Interessierten einen Blick wert, da sie von Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen der Förderpädagogik zusammengestellt wurden:

Mathe-Apps-Tipps von Claudio Castañeda, Sabina Lange, Sven Reinhard, Simone Rossi, Philip Haug, Elisabeth Jakob, Katja Koch, Monika Waigand, Igor Krstoski u.v.a.m. (auf dem UK-App-Blog)

Deutsch-Apps-Tipps von Claudio Castañeda, Sabina Lange, Sven Reinhard, Simone Rossi, Philip Haug, Elisabeth Jakob, Katja Koch, Monika Waigand, Igor Krstoski u.v.a.m. (auf dem UK-App-Blog)

Best-of-Auswahl an Deutsch- und Mathe-Apps zusammen gestellt von Monika Waigand, Angela Hallbauer, Katja Lauther, Nina Fröhlich, Claudio Castaneda, Annette Kitzinger, Sabina Lange, Sven Reinhard und Igor Krstoski (auf dem UK-App-Blog)