Comic Workshop „Rotschnepfchen und der Wolf“

Ziemlich frei nach den Gebrüdern Grimm“: Ein inklusives Medienprojekt zum Abbau von Vorurteilen von Martina Wagner

Das Projekt brachte Teilnehmende einer tagesstrukturierenden Maßnahme im Alter von 19 bis 65 mit verschiedenen Behinderungen und Beeinträchtigungen mit den jungen Mitgliedern einer Theatergruppe im Alter von 7 bis 14 zusammen. Bei den Teilnehmenden der tagesstrukturierenden Maßnahme handelte es sich um ehemalige Obdachlose: Sie fühlen sich oft gesellschaftlich ausgegrenzt, einige von ihnen würden gerne erzählen, wie ihr Lebensweg verlaufen ist und warum sie in „besondere Lebenslagen“ geraten sind. Durch diese Aufklärungsarbeit erhoffen sie sich mehr Verständnis und Akzeptanz. Das Thema „genutzte, verpasste oder nicht vorhandene Chancen im Leben“ sollte daher Grundlage sein für einen gemeinsamen Workshop mit Kindern und Jugendlichen aus der Region.

Das Ergebnis: Rotschnepfchen und der Wolf – ziemlich frei nach den Gebrüdern Grimm“

Mädchen stellt sich vorUm die Thematik kindgerecht aufzubereiten, wurde ein Comic erstellt: Ein Comic Workshop bietet viele Arbeitsfelder (Fotos knipsen, Storyboard schreiben, Requisiten basteln…) und mit dem Comic-Programm Comic Life lassen sich die Hefte relativ leicht herstellen. Märchen können für Kinder und Jugendliche „schrullig-cool“ inszeniert werden und sprechen gleichzeitig auch die Älteren an. Durch den Rollentausch von Rotkäppchen und dem Wolf (das „Rotschnepfchen“ ist eine gefürchtete Immobilienmaklerin aus der Stadt – der Wolf mittellos und wohnungssuchend) ergeben sich zudem viele Möglichkeiten, eine witzige und spannende Geschichte zu entwickeln und unser gesellschaftliches Schwarz-Weiß-Denken zu hinterfragen.

Ziele

  • Förderung von Medienkompetenz (Einsatz von Rechnern, Comic-Software Comic Life, Greenscreen, Fotokameras, Beamer etc.)
  • Förderung von Empathie und Akzeptanz durch Teamarbeit und gemeinsames Arbeiten am Comic, Abbau von Beru?hrungsängsten durch persönlichen Austausch
  • Abbau von gesellschaftlichem Schwarz-Weiß-Denken durch den Rollentausch im Märchen bzw. dem Hinterfragen von verschiedenen Lebenswegen

Ablauf

  • 3 Teilnehmende posieren verkleidet vor dem GreenscreenProjektwoche (4 Tage, 9 – 16 Uhr), 9 Teilnehmende im Alter von 21 – 65 Jahr mit unterschiedlichen Erkrankungen, 6 Kinder und Jugendliche im Alter von 7 – 14 Jahren ohne Behinderung, 4 Mitarbeiter
  • Mini-Interviews/ Castingshow zum gegenseitigen Kennenlernen
  • Starfotos vor dem Greenscreen und Einfügen passender Hintergründe zum Ausprobieren der Technik/ Programme
  • Einführung in die Welt der Comics und Analyse erfolgreicher Hefte
  • Aufgaben verteilen: Schauspieler, Maskenbildner, Fotografen, Beleuchter, Regie, Mediengestalter, Kulissenbauer…
  • Eigene Geschichte entwickeln: Storyboard schreiben, Rollen verteilen, Sprechblasentexte tippen, Requisiten vorbereiten…
  • Bastelarbeiten: Starplakate ausgestalten, Einladungen und Plakate für die Premiere basteln…
  • Comic Life ausprobieren: Bilder einsetzen, Effekte testen, Sprechblasen befüllen
  • Fotos am Greenscreen erstellen und auf richtige Beleuchtung achten
  • Greenscreen-Bilder am Computer bearbeiten: Bildkorrekturen, Personen ausschneiden und auf neue Hintergrundbilder setzen…
  • Layout Comic-Heft: Texte und Bilder in Comic Life einfügen, Seitenstruktur anlegen
  • Erfolg genießen: Fertige Seiten gemeinsam betrachten, bei Bedarf verbessern und auf das Ergebnis stolz sein
  • Abschluss-Präsentation in „Hollywood“: Einmal im Leben ein richtiger Star sein…Feierliche Laudatio, individuelle Würdigung, Übergabe der Comic-Hefte, inklusive rotem Teppich, alkoholfreien Sekte etc

Fazit

Abschlusspräsentation des ComicsPlanung ist wichtig, Flexibilität aber auch: Die Grundidee des Workshops, „Ursachen für Obdachlosigkeit“, war sehr schnell vom Tisch. Viel wichtiger als die Ursachen der Wohnungslosigkeit war den Teilnehmenden die Frage, was man dagegen tun kann. Unsere ehemals Obdachlosen hatten einen Riesenspaß´, die Geschichte zusammen mit den Schülern auszuschmücken. Eine Teilnehmerin blühte richtig auf, als sie die Immobilienmaklerin mit dem Nudelholz aus ihrem Haus vertreiben konnte. Im Nachhinein erzählte sie, dass sie schon lange nicht mehr so glücklich war. Die anfänglichen Barrieren traten im Laufe des Workshops immer mehr in den Hintergrund: Zum Beispiel hielten zwei Schülerinnen am ersten Tag deutlich Abstand, weil ihnen die körperliche Behinderung eines TBA-Teilnehmers unheimlich war. Am 2. Tag half ihnen dieser Teilnehmer Malstifte zu suchen, die Mädchen halfen ihm daraufhin beim Bemalen seiner Einladungskarte. Kleine Schritte, die nach und nach zu einem herzlichen Miteinander führten.

5 Punkte, was bei der Planung beachtet werden sollte

  • Älterer Projekttteilnehmender stellt sich vorKeinen zu engen Ablaufplan vorgeben: Freiraum für Wünsche und Bedürfnisse lassen.
  • Ausreichend Helfer einplanen und Aufgabenbereiche aufteilen.
  • Passende Arbeitsbedingungen schaffen (barrierefreie Zugänge für alle Räume, gutes Licht, ausreichend Platz für Aktionen mit der Gesamtgruppe, Rückzugsraum für Einzelne…)
  • Ausführliches Gespräch mit den Teilnehmern vorab (über mögliche Einschränkungen, Bedürfnisse, Fähigkeiten…) + Info über den geplanten Ablauf (ein kleines Handout gibt Sicherheit!).
  • Ausreichend Technik besorgen. Alternativgeräte einplanen!

5 Punkte, was bei der Durchführung beachtet werden sollte

  • Feierliche AbschlusspräsentationKlare Anweisungen und Aufgabenstellungen geben.
  • Leistungsdruck rausnehmen: Das Endprodukt muss nicht perfekt sein. Im Vordergrund sollte der Spaß am gemeinsamen Arbeiten stehen.
  • Ruhe bewahren: In hektischen Situationen eine kurze Pause machen. Danach lassen sich die meisten Probleme einfacher lösen.
  • Individuelle Fähigkeiten der Teilnehmenden erkennen und hervorheben: Auch kleine Aufgaben und Ergebnisse loben und wertschätzen.
  • Kreativ und flexibel sein: Auch während des laufenden Projekt offen für neue Ideen und Planänderungen bleiben. Jeder soll sich mit seinen Ideen und Besonderheiten einbringen können.