„Japan ist toll“. Von Christine Ketzer
Unser Projekt Nimm! ging ganz wörtlich „on tour“ und das gleich bis nach Japan. Dr. Christine Ketzer, Geschäftsführerin der LAG Lokale Medienarbeit NRW e.V. (LAG LM) konnte sich erfolgreich um einen Platz für eine zweiwöchige Studienreise nach Japan im Rahmen des Deutsch-Japanischen Studienprogramms für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zum Thema „Inklusive Pädagogik“ bewerben. Das Programm wurde von der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland (IJAB), im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend organisiert. Neben Tokyo und Umgebung konnten Einrichtungen in der Präfektur Niigata, im Norden Japans, besucht werden und Eindrücke in die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Japan, die dort 2014 ratifiziert wurde, gewonnen werden.
Bildungsprozesse haben in Japan ihren Schwerpunkt im schulischen Kontext, im außerschulischen Bereich stehen das Erleben von Gemeinschaft und die Erlebnispädagogik im Fokus. Hier gibt es im Bereich der Inklusion gute Ansätze, die eine Teilhabe aller ermöglichen. Aktive Medienarbeit, wie man sie in Deutschland kennt, ist in Japan bis jetzt kaum verbreitet und auch das Bildungssystem insgesamt weit weniger technisch-futuristisch ausgerichtet, als man bei Japan vielleicht mutmaßen würde. Auf dem dichten Programm des Aufenthalts stand u. a. auch ein Besuch im Yokohama Rehabilitation Center, durch das Einrichtungsleiter Herr Jyun Ogawa führte. Dieses Zentrum bietet Menschen mit Behinderung jeden Alters unter einem Dach verschiedene Angebote rund um Reha, Tagespflege und Früherkennung. Neben Sporthallen und medizinischen Einrichtungen gibt es auch eine Abteilung, die zu unterstützenden Computertechnologien berät und diese auch entwickelt. Hier lassen sich Parallelen zu den Kooperationspartnern der LAG LM im Projekt Nimm! erkennen, denn die Kollegen der tjfbg in Berlin arbeiten mit ganz ähnlichen unterstützenden Technologien.
Das Fazit von Christine Ketzer: „Die gesellschaftlichen Ziele der Gemeinschaft und Harmonie in Japan bringen eine andere Pädagogik hervor, als wir sie in Deutschland gewohnt sind. Im Fokus steht weniger der Einzelne, als vielmehr die Gruppe. Im Bereich der Inklusion trifft man auf integrative Ansätze, die Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsverzögerungen (so die Bezeichnung in Japan), den Anschluss an die anderen ermöglichen soll. Allerorts finden sich gute Ansätze und eine hohe Motivation, die Vorgaben der UN-Konvention umzusetzen. Der Stand der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum ist auf hohem Niveau – in Tokyo beispielsweise gibt es überall Blindenleitsysteme und ein hohes Maß an Unterstützung – beispielsweise im öffentlichen Nahverkehr, so dass hier bereits die Voraussetzungen für selbstverständliche Teilhabe geschaffen sind. Der Umgang der Japaner mit bestimmten behinderungsbedingten Bedarfen ist sehr pragmatisch – wenn z. B. Autisten das scharrende Geräusch von Stuhlbeinen nicht ertragen können, werden einfach Tennisbälle unter die Stühle montiert. Eine Herangehensweise an Herausforderungen, die mich sehr beeindruckt hat!
Auch das respekt- und rücksichtsvolle Verhalten der Japaner im Alltag, die sich äußerst zahlreich wenig Raum teilen müssen, hat mich sehr bewegt. Und auch nach einem Erdbeben der Stärkt 5,6 mit deutlichem Schwanken in der 9. Etage eines Hochhauses, bleibe ich einfach im „japanischen Flow“ und nehme viel für meine Arbeit in Deutschland mit.“