Ein inklusives Medienprojekt von Julia Behr/ JuMP NRW
JuMP NRW hat bereits Erfahrungen gesammelt mit einem Filmprojekt in einem Clearinghaus für junge, unbegleitete Flüchtlinge in Bielefeld. In dieses Projekt wurden allerdings keine Jugendlichen aus der Umgebung eingebunden. Das Projekt „Film verbindet“ mit einem anderen Clearinghaus wollte dies ändern: Durch ein Stummfilmprojekt sollten sprachliche und kulturelle Barrieren überwunden werden und Kontakte zwischen jugendlichen Flüchtlingen und Jugendlichen aus der Gegend hergestellt werden. Da das Clearinghaus mitten im Wald liegt, haben die jungen Männer noch weniger Möglichkeiten, andere Jugendliche zu treffen, dazu kommt die Sprachbarriere. Alle Teilnehmenden sollten durch Filmarbeit erkennen, dass man auf verschiedenen Wegen miteinander kommunizieren kann.
Ziele
Die Jugendlichen lernen über die gemeinsame Filmarbeit ihre unterschiedlichen Erfahrungen, Sichtweisen und Talente kennen und schätzen. Ihre Toleranz für andere Kulturen soll gefördert werden. Dabei erkennen sie Gemeinsamkeiten, die unabhängig von ihrer Herkunft bestehen. Berührungsängste zwischen den Jugendlichen unterschiedlicher Kulturen sollten abgebaut und Kontakte, die über das Projekt hinaus Bestand haben, geknüpft werden. Die Jugendlichen lernen in einer umfassenden Videoproduktion verstehen, wie Film funktioniert: Von der Idee bis zum fertigen Produkt, von der Vor- bis zur Postproduktion. Die Jugendlichen erwerben Medienkompetenz, indem sie sich mit Filmtheorie auseinandersetzen, praktisch mit Medientechnik umgehen und kreativ eigene Ideen filmisch umsetzen.
Ablauf
Für den geplanten Stummfilm wurden ausschließlich iPads genutzt. Das Projekt war sehr offen angelegt, so dass die Jugendlichen ihre Ideen für Inhalt, Genre, Darstellung usw. einbringen konnten. Als Besonderheit wurden Stoppschilder eingesetzt: Diese konnten die Jugendlichen hochhalten, wenn sie etwas nicht verstanden hatten. Das Projekt wurde innerhalb von 2 Wochen im Haus Neuland in Bielefeld durchgeführt, Meilensteine im Projektablauf waren: Gemeinsames Kennenlernen und Gruppenbildung, Einführung in Technik und Filmsprache, Vorproduktion: Entwicklung eines Storyboards, Besorgen und Basteln von Requisiten, Entwurf des Settings, Verteilung von Rollen und Funktionen, Filmdreh, Postproduktion: Schnitt, Musikrecherche, Titel/Abspann, Trailer erstellen. Die Gruppe setzte sich aus bis zu acht Jugendlichen zusammen. Die Jugendlichen waren zwischen 14 und 17 Jahre alt. Ein Teil der Gruppe waren männliche unbegleitete Jugendliche, die teilweise kaum Deutsch können. Zwei Jugendliche hatten darüber hinaus Defizite in der sprachlichen Artikulation. Aufgrund ihrer Flüchtlingsgeschichte sind die Jugendlichen zum Teil traumatisiert. Außerdem hatten sich zwei Mädchen (15 Jahre) ohne Flüchtlingshintergrund angemeldet. Die Gruppenzusammensetzung variierte leicht.
Fazit
Jugendliche lieben actionreiche Gangstergeschichten – egal, ob sie aus Deutschland, Afghanistan oder Guinea kommen. Als es an die Arbeit ging, waren vor allem die Jungs unheimlich motiviert und begeistert dabei. Sie hatten schnell eine Idee für eine Geschichte. Die Kommunikation der Jungs untereinander war erstaunlich, unabhängig von ihrer Muttersprache. Leider mussten einige der angemeldeten Jugendlichen wieder absagen. Sehr traurig war auch, dass die zwei Mädchen nur den ersten Tag (Kennenlernen, Einführung in Film) mitmachten. Auch wenn mich dies enttäuscht hat, hat die Arbeit mit den Jungs sehr viel Spaß gemacht. Aus meinem ersten Projekt mit jugendlichen Flüchtlingen wusste ich, dass am zweiten Projekttag oft neue dazu kommen und andere wegbleiben. Da ich darauf eingestellt war, konnte ich damit gut umgehen. Insgesamt konnten die mit dem Projekt verbundenen Ziele erreicht werden, auch wenn das Zusammenkommen von Flüchtlingen und anderen Jugendlichen so nicht realisiert werden konnte. Die Nutzung von iPads für die komplette Videoproduktion erwies sich als erstaunlich gut. Jeder Jugendliche hat seinen Teil beigetragen und dafür bei der Präsentation vor allen Bewohnern des Clearinghauses und den betreuenden Pädagogen den verdienten Applaus bekommen. Das Ergebnis zeigt, wie gut Kommunikation auch ohne gemeinsame Sprache funktioniert.
5 Punkte, was bei der Planung beachtet werden sollte
- Flexible Zeitplanung: Was will man vermitteln oder schaffen? Weniger ist mehr – und dafür ausreichend Zeit einplanen. Im Zweifel: Zusatzbausteine überlegen, falls noch Zeit bleibt.
- Ausführliche Vorab-Informationen: Teilnehmende müssen wissen, was sie erwartet, um Enttäuschungen oder negativen Überraschungen vorzubeugen.
- Klare Strukturierung und Transparenz: Man sollte den Teilnehmenden mitteilen, wann was geplant ist. Vor allem bei Videoprojekten kann es zur Frustration führen, wenn man nicht direkt mit dem Filmdreh beginnt!
- Technik vorher ausprobieren: Minimiert die Gefahr von Technikpannen.
- Wenig Theorie, viel Praxis: Praktische Übungen vor Beginn des eigentlichen Drehs halten die Teilnehmenden bei der Stange und überfordern sie nicht.
5 Punkte, was bei der Durchführung beachtet werden sollte
- Flexibilität und Offenheit: Zeitlich, inhaltlich, organisatorisch… man weiß nie, was kommt!
- Symbole und Bilder verwenden: Vor allem bei sprachlichen Defiziten oder auch bei kognitiv unterschiedlich weit entwickelten Teilnehmenden.
- Einbindung aller: Jeder kann etwas beitragen!
- Kleine Gruppen und guter Betreuungsschlüssel: Mindestens zu zweit arbeiten und nicht mehr als 12 Teilnehmende.
- Teilnehmendenorientierung: Zum Beispiel auch mal früher aufhören, wenn keine Konzentration mehr da ist oder auch einen zweiten Clip drehen, weil noch Zeit bleibt und die Teilnehmenden Lust drauf haben.
Weitere Infos
- JuMP NRW – Jugend, Medien, Partizipation
- JuMP NRW auf Facebook
- Haus Neuland e. V.
- Weitere Infos zu Julia Behr