Fred Roessler
Auch blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche nutzen soziale Medien. Wie kann man einen Einführungsworkshop rund ums Thema “Soziale Medien, Datenschutz und Cybermobbing” gestalten, der für diese Zielgruppe zugänglich ist? Hier werden vier Methoden aus einem Einführungsworkshop vorgestellt – und wie man sie für blinde und sehbehinderte Teilnehmende anpassen kann.
Methodenkarte als (digitales) Handout im PDF-Format herunterladen
Das braucht man
- Computer, Beamer, Lautsprecher, Internetzugang
- Karten mit Mediensymbolen
- Magnettafel, Magnethaken, flache Magnete und Schnur
- Anybook Audiostift (ggf. mit Kopfhörer), dazugehörige (besprechbare) Audio-Sticker, Holzbausteine
- iPad mit App Book Creator
- 4 Einheiten à 60 – 90 Minuten (am Stück oder auf mehrere Tage verteilt)
- 15 Teilnehmende
Ziele
- Reflexion des eigenen Mediennutzungsverhaltens
- Auseinandersetzung mit Cybermobbing: Was sind die verschiedenen Rollen Welche Handlungsoptionen gibt es?
Vorbereitung
- Karten mit Mediensymbolen (Smartphone, TV, Lesen, PC, Gaming, Musik) laminieren und mit Braille-Punktschrift versehen (Tipps: Medienkarten mit Brailleschrift bei barrierefrei kommunizieren! ausleihen (Anfrage an: berlin@barrierefrei-kommunizieren.de). Einrichtungen mit Angeboten für Menschen mit Sehbehinderung (z. B. Schulen) vor Ort kontaktieren, ob technische Möglichkeiten zum Erstellen von Material in Brailleschrift vorhanden ist.)
- Magnete mit Anybook-Stickern bekleben. (Diese können dann mit dem Anybook Audiostift einfach vertont werden).
- Schnur in kürzere Abschnitte schneiden.
- Holzbausteine (z. B. 5 – 10 pro Gruppe) mit Anybook-Stickern und fühlbarer Markierung bekleben. Anybook-Sticker besprechen mit unterschiedlich privaten Daten und Informationen. (z. B. Name, Adresse, Zugangscode zum Handy, Foto im Bikini / Badehose, Chatverlauf mit bester Freundin/Freund…)
- Bedienungshilfen Zoom und Lupe (Vergrößerungsfunktion für Sehbehinderte) sowie Auswahl sprechen und VoiceOver (Vorlesefunktion und Screenreader für Blinde) auf den iPads aktivieren.
- App Book Creator installieren (kostenlose Testversion verfügbar).
- Book-Creator-Buch mit den Inhalten des Workshops vorbereiten: Durch die Vorlesefunktion von Book Creator sind diese auch für blinde Teilnehmende jederzeit zugänglich.
Durchführung
Methode: Welche Medien nutzen wir?
- Aufgabe: Die Teilnehmenden erhalten je sechs Medienkarten. Alle wählen “ihre” drei wichtigsten Medien(k)arten aus. Durch die Braille-Laminierung sind die Karten auch für blinde Teilnehmenden zugänglich.
- Alle Karten zu einem Balkendiagramm anordnen: Welche Medien werden am häufigsten genutzt? Ergebnisse verbalisieren und besprechen: Warum spielen einige Medien eine so große Rolle? Womit beschäftigen sich die Teilnehmenden genau?
- Apps, Spiele, YouTube-Kanäle, soziale Netzwerke, Suchmaschinen sammeln und Fragen diskutieren wie: Ab wann sollten Kinder ein Smartphone besitzen? Wie viel Medienzeit am Tag ist gut?
Methode: Unser fühlbares Netzwerk
- Aufgabe: In Kleingruppen eigene fühlbare Netzwerke erstellen. Zunächst wird der Name jeder Person in einer Ecke der Tafel geschrieben (evtl. mit einer kleinen Zeichnung) und dazu ein Magnethaken platziert. Weitere, persönlich wichtige Personen ergänzen und die Magnethaken mit Schnur verbunden, sodass sich ein tastbares Netzwerkmodell ergibt.
- Direkt unter jedem Magnethaken einen Anybook-Sticker ( z. B. auf weiteren Magneten) platzieren und den Namen der dazugehörigen Person mit dem Anybook Audiostift einsprechen. So erfahren auch die blinden Teilnehmenden, aus welchen Personen sich das fühlbare Netzwerk zusammensetzt.
- Diskussion: Gibt es Unterschiede zwischen dem realen persönlichen Netzwerk und sozialen Netzwerken im Internet? Welche Personen tauchen dort auf? Welche Infos gebt ihr von euch im Internet preis? Würdet ihr alle Infos über euch auch an alle Personen in eurem Netzwerk weitergeben?
Methode: Vertontes Spiel “Private Daten”
- Aufgabe: Gruppen erhalten Anybook Audiostift und Bausteine, die vorher mit Anybook-Stickern beklebt und mit verschiedenen privaten Daten besprochen worden sind. Welche Informationen sind besonders sensibel? Die Bausteine sollen in eine Reihenfolge gebracht werden. Daten / Infos müssen sich nicht klar ordnen lassen, sondern sollen zum Diskutieren anregen.
- Diskussion: Was wäre, wenn diese privaten Informationen nicht geschützt, sondern öffentlich wären? Wofür ist Privatsphäre gut? Was passiert mit persönlichen Daten im Internet?
Methode: Cybermobbing-Prävention
- Aufgabe: Video Was ist eigentlich Cybermobbing? von Handysektor.de anschauen (funktioniert auch als reine Audiofassung). Kleingruppen wird jeweils eine Person/Rolle aus dem Video zugewiesen (z. B. Betroffene, Täter:innen, Mitläufer:innen…).
- Die Kleingruppen erstellen eine Gedanken-Collage der jeweiligen Person(en) und setzen sie als Audioaufnahme auf einer vorbereiteten Seite in Book Creator um.
- Systematik von Cybermobbing zusammen erarbeiten und von einfachem Streit abgrenzen. Welche Rollen gibt es bei Cybermobbing?
Inklusiv gedacht
- Die Methoden ermöglichen vielseitige Zugänge: Durch (vorlesbarem) Text, Bild, Audio und fühlbare Elemente.
- Bei Fotos und Grafiken in Book Creator immer an Alternativtexte denken!
Tipps
- Teilnehmenden ermöglichen, eigene Geräte zu verwenden, wenn diese an persönliche Bedürfnisse angepasst sind.
- Viel beschreiben und handlungsbegleitend verbalisieren.
- Lehrkräfte/ Eltern einbeziehen: So werden auch diese zu einer Auseinandersetzung mit den Themen angeregt und können bei der Kleingruppenarbeit unterstützen. Achtung: Die Anwesenheit von Lehrpersonen/ Eltern kann bei der Auseinandersetzung über sensible Themen auch hemmen!
- Das Video Truth be told rund ums Thema sensible Daten (klicksafe) funktioniert auch als reine Audiofassung sehr gut.
Mein Fazit
„Im Workshop schätze ich vor allem den Austausch mit den Kindern und Jugendlichen. Viele nutzen bereits sehr früh digitale Medien und haben viel zu berichten. Die Methoden bieten viele Anknüpfungspunkte für Diskussionen: Ausreichend Zeit einplanen lohnt sich! Besonders geeignet finde ich den Workshop als Einstieg in die Medienarbeit mit einer Gruppe und zum gegenseitigen Kennenlernen. Nach der inhaltlichen Auseinandersetzung kann man die Themen dann durch kreative Medienarbeit (z. B. mit Foto, Film, Audio..) vertiefen.”
FRED RÖSSLER
barrierefrei kommunizieren!/ Nimm!-Kompetenzzentrum für Inklusive Medienarbeit
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