Junge Frau fotografiert mit Tablet

Themenmonat 1: Medienarbeit mit jungen Geflüchteten

Fortbildungstag im Haus Neuland, Bielefeld. Bericht von Selma Brand

Im Rahmen unseres Themenmonats „Medienarbeit mit jungen Geflüchteten“ fand am 12. September 2016 im Haus Neuland in Bielefeld der erste Fortbildungstag statt. Julia Behr, die bereits seit mehreren Jahren Medienprojekte mit Geflüchteten durchführt, führte grundlegend in das Thema ein und nannte Zahlen, Fakten sowie Mythen über die Anzahl, Herkunft und Verhalten der jungen Menschen in Deutschland. In eifrigen Diskussionen überlegten die 12 Teilnehmenden des Fortbildungstages, wie man gemeinsame Medienprojekte für Kinder und Jugendliche mit und ohne Fluchthintergrund gestalten kann. Neben ausreichend Zeit für den kulturellen Austausch ist es zu Beginn besonders wichtig die Bildrechtefrage zu klären. Der Inhalt von Einverständniserklärungen muss den Eltern der Geflüchteten erklärt werden, bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten entscheidet über die Veröffentlichung des entstandenen Materials der Vormund, Da dieser nicht täglich mit den Jugendlichen in Kontakt steht, sollte auch hierfür im Vorfeld ausreichend Zeit eingeplant oder mit einer rechtefreien Einheit (z.B. Trickfilm) begonnen werden.

Flipchart mit Ergebnissen: Welches Medienprojekt eignet sich für welches ThemaLinda, die sich von dem Workshop hauptsächlich Methoden und Inspiration für die eigene medienpädagogische Arbeit erhofft, sagte: „Ich denke, wir müssen uns auch öffnen, ihnen die Möglichkeiten zeigen, die sie hier haben und sie dabei unterstützen diese zu nutzen.“ Dass sich hierfür die aktive Medienarbeit sehr gut eignet, zeigte sich im weiteren Seminarverlauf, als Julia eigene Projektbeispiele zeigte und hierbei neben den positiven Aspekten auch auf schwierige Situationen einging. Sie erklärte zum Beispiel, dass man bei der Projektplanung daran denken sollte, dass die jungen Menschen noch andere Verpflichtungen (wie Behördengänge, Termine mit dem Vormund oder auch Fußball-Training) haben, so dass sie nicht bei allen Terminen anwesend sein können. Das bremst die weitere Arbeit, wenn z. B. eine Person als Schauspieler gebraucht wird. Hier ist es denkbar, mit animierten Sequenzen zu arbeiten oder auch alternative Elemente wie die Covergestaltung oder eine App für die Musikproduktion bereit zu halten. Dafür eignen sich zum Beispiel Tablets sehr gut, da die Bedienung intuitiv ist und den meisten Jugendlichen bekannt. Mit Apps können die unterschiedlichen Elemente des Medienprojektes umgesetzt und zum Schluss vereint werden. Ob Sozialraumerkundung mit QR-Codes, Kriminalfilm, Sound-Rallye oder Spielfilm zu einem beliebigen Thema. All diese Projekte bieten viele Gesprächsanlässe, man sollte den Teilnehmenden auf jeden Fall genug Zeit lassen um sich auszutauschen.

Ergebnisse auf Flipchart: Standards für die Medienarbeit mit jungen GeflüchtetenNeben zeitlich unsicheren Komponenten sollten die Pädagogen auch daran denken, dass die Jugendlichen teilweise sehr unsichere Perspektiven haben, nicht wissen, wie es ihren Familien geht oder wo sie selbst in wenigen Wochen leben werden. Diese Themen können in einem Medienprojekt in der Regel nicht bearbeitet werden, es sei denn, dass professionelle Therapeuten im Team sind. Marianna ergänzt: „Man sollte keine Projektthemen wählen, die ihre Flucht thematisieren, dazu sind wir einfach nicht ausgebildet. Ich finde es toll, wenn sie etwas ganz anderes machen, wie zum Beispiel ein Tanz- oder Sportprojekt.“ Im weiteren Verlauf beschäftigten sich die Teilnehmenden mit unterschiedlichen Medienprojekten aus ganz Deutschland. Beim Sichten einiger Videos wurde in der Gruppe besprochen, dass sie es nicht angemessen finden, wenn Passagen von Jugendlichen mit Fluchterfahrung untertitelt werden und die deutscher Jugendlicher nicht. Eine Alternative wäre es, alle Passagen zu untertiteln. Wichtig für die pädagogische Arbeit ist es noch, dass die Jugendlichen als Jugendliche wahrgenommen werden und nicht nach Ländern/Herkunft/Kultur, sondern vielmehr wie alle anderen Jugendliche in Projekten auch nach Interessen aufgeteilt werden.

Ergebnisse auf Flipchart: Standard für die Medienarbeit mit jungen GeflüchtetenJulia Behr: „Wir wollten Ihnen die Möglichkeit geben, sich bei uns zu entspannen. Natürlich kam es vor, dass sie von selbst begannen, von ihrer Vergangenheit oder Heimat zu erzählen. Dann haben wir zugehört und ihnen auch diesen Raum gegeben. Nach einiger Zeit merkten wir, dass sie sich immer mehr öffneten und sich vor allem trauten, ihre Meinung zu sagen, ohne Angst haben zu müssen, dass dies ihre Asylgesuche beeinflussen würde. Man merkte, wie sie nach und nach zeigten, welche Themen sie auch medial bearbeiten und veröffentlichen wollen.“ Zusammenfassend rät Julia dazu, sich zwar natürlich im Vorfeld Gedanken über die besondere Zielgruppe zu machen und ggf. bei Betreuern Informationen einzuholen, aber nicht ins Grübeln oder Problematisieren zu verfallen. Pädagoginnen und Pädagogen sollten sich auf ein buntes Medienprojekt freuen und können sicher auf das Ergebnis gespannt sein.

Fakten und Ergebnisse des Fortbildungstags

Wer ist die Zielgruppe/ Wer sind junge Geflüchtete?

  • Flüchtling wird eher nicht mehr gesagt (Problem: Gender, Verniedlichung)
  • Unterschied zwischen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) und Jugendlichen aus Familien
  • In Deutschland sprechen wir erst von Flüchtlingen, wenn das Asylverfahren abgeschlossen ist (sonst: asylsuchend, Asylbewerber)
  • 60 Millionen sind weltweit auf der Flucht, davon über 50% minderjährig, Nr. 1 Aufnahmeland ist die Türkei
  • 1 Million Registrierungen, 470 000 Asylanträge im Jahr 2015, seit März 2016 16 000 Neuregistrierungen
  •  Ein Viertel der Flüchtlinge kommen nach NRW
  • Syrien, Afghanistan, Irak sind die Hauptherkunftsländer
  • 42 000 umFs 2015 (91% männlich)

Junge Geflüchtete und Medien

  • Nutzung des Smartphones während der Flucht (Orientierung, Kontakt zu Familie, Schleusern, Dokumentation der Flucht)
  • Selbstdarstellung via soziale Medien ist auch für diese Jugendliche wichtig und relevant
  • Datenschutzaspekte sind kaum bekannt
  • Nicht alle Jugendliche hatten Kontakt zu Medien in ihrer Heimat

Wo erreichen wir sie?

  • Flüchtlingsunterkünfte, Schulen, Freizeiteinrichtungen, Wohnheime, Sporteinrichtungen, Initiativen

Was ist das Ziel von Medienarbeit mit jungen Geflüchteten?

  • Auseinandersetzen mit der neuen, aber auch der alten Kultur
  • Kennenlernen von außerschulischer Bildung
  • Integration und Inklusion
  • Spracherwerb, Empowerment, Medienkompetenzerwerb

Erfahrungen und Traumata

  • Kriegserlebnisse, Tod, Erlebnisse auf der Flucht (Schleuser, Schlepperbanden, sehen, wie Familienmitglieder sterben)
  • Homosexuelle, Zwangsheirat, Kindersoldaten
  • Häusliche Gewalt, keine intakte Heimat erlebt
  • Psychosozialer Druck, die Kosten zurück zu zahlen
  • Man muss sich bewusst machen, dass im Rahmen eines Medienprojekts keine Traumaarbeit geleistet werden kann!
  • Man sollte immer gemeinsam mit Pädagogen in eine Gruppe gehen!

Probleme

  • keine Alphabetisierung
  • Ungeklärter Status
  • Bund kann die Freizeitgestaltung nicht komplett übernehmen
  • Verantwortung als Mittler zwischen Eltern, Behörden zu übersetzen
  • Es gibt in Deutschland viele Freiheiten, manchmal ist es schwer damit umzugehen