Mechanismen sozialer Netzwerke offline und online nachvollziehen: Zwei Beispiele
In diesem Themenmonatsbeitrag werden zwei Beispiele vorgestellt, wie sich die Mechanismen und Funktionsweisen sozialer Netzwerke on- oder offline vermitteln lassen, ohne dass die Zielgruppe in einem „echten“ angemeldet sein muss. Sinnvoll kann dies bei Kindern sein, die noch zu jung sind, um in sozialen Netzwerken angemeldet sein zu dürfen und wo man annimmt, dass sie die Tragweite ihres Handelns in sozialen Netzwerken noch nicht überblicken, sich in Bezug auf persönliche Daten unbedarft verhalten, Opfer von Online-Abzocke werden oder mit problematischen Inhalten bzw. Personen konfrontiert werden könnten. Auch bei Menschen mit Lernschwierigkeiten können diese Methoden sehr sinnvoll sein, schließlich ist heutzutage weniger die Frage, OB Menschen mit Lernschwierigkeiten sich überhaupt in sozialen Netzwerken bewegen (sollen/ dürfen), sondern eher vielmehr WIE man einen (daten-) sicheren und bewussten Umgang vermitteln kann.
Ein Beispiel dafür, wie so eine „Trockenübung“ aussehen kann, ist das Facebook-Spiel von #PB21, einem Kooperationsprojekt der Bundeszentrale für Politische Bildung und des DGB Bildungswerks. Das Facebook-Spiel wurde dabei eher mit Blick auf die Zielgruppe „Eltern, deren Kinder begeistert von sozialen Netzwerken sind, aber selbst keine Erfahrungen haben“ entworfen. Das Ziel war, zu erreichen, dass Eltern die Faszination ihrer Kinder nachvollziehen können. Dies ist z. B. über einen Fake-Account in einem Netzwerk eher schwierig zu erreichen, denn dabei kommt die „soziale Dimension“ (noch) nicht zum Tragen. Das Spiel soll einen differenzierten Einblick in die Nutzen und Gefahren sozialer Netzwerke ermöglichen. Bei dem Spiel erstellt man sein eigenes Profil und muss verschiedene Aktionskarten ausspielen, Gruppen gründen, sich be- und entfreunden… Ziel ist, möglichst viele „Freunde“ zu gewinnen, um damit möglichst hoch auf der „Statuspyramide“ anzukommen. Das Spiel steht unter CC-Lizenz, alle dazugehörigen Materialien können heruntergeladen und an die eigenen Bedarfe der Zielgruppe angepasst werden – was auch sinnvoll ist, bedenkt man, dass Facebook mittlerweile zumindest bei jüngeren Zielgruppen an Relevanz verliert. Außerdem sollten die Aktionen natürlich auch „passen“ für die Zielgruppe.
André Naujoks von barrierefrei kommunizieren! in Bonn hat das Facebook-Spiel in einer Einrichtung der offenen Jugendarbeit getestet – auf Anfrage gibt er als Inklusions-Scout gerne seine Erfahrungen und natürlich auch die von ihm angepassten Spieleunterlagen weiter (E-Mail an: inklusionsscouts[at]inklusive-medienarbeit.de, Betreff: André Naujoks). In seinem Beitrag Soziales Netzwerk „spielen“ berichtet er über seine Erfahrungen. Sein Fazit: „Wichtig ist die Erfahrung, wie Aktion und Reaktion ablaufen – und das aufgrund der eigenen Selbstdarstellung auf einem Blatt Papier, meinen Nachrichten oder Kommentaren auf Klebezettel, die ich anderen auf ihr Profilpapier klebe. Wichtigste Erkenntnis: Das Spiel ist in den Aktionen, Reaktionen, dem sozialem Umgang nicht weit von der eigenen Realität entfernt – aber mein Verhalten und meine Nachrichten werden von viel mehr Beteiligten gesehen, als dies im “real-life” der Fall ist: Was positiv oder negativ sein kann. Das Spiel ist eine gelungene Idee, das Unbekannte zu erschließen und Vorurteile gegenüber sozialen Netzwerken abzubauen, gibt jedoch ebenso die Möglichkeit z. B. zum Thema Datenschutz zu sensibilisieren: So wurde das Thema Datensicherheit – Was sind persönliche Daten? Was sind sensible Daten? – vorab besprochen und damit die Profilerstellung der Spielphase 1 eingeleitet.
Ein weiterer interessanter Ansatz ist das Projekt Webinklusion der TU Braunschweig. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines barrierefrei und intuitiv auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten bedienbaren sozialen Netzwerks. Barrierefreiheit für diese Zielgruppe soll z. b. erreicht werden durch einen reduzierten Funktionsumfang und durch die Nutzung von Symbolen, die für die Nutzergruppen leicht verständlich sind, da sie sich an bekannte Symbolvokabulare aus dem Kontext der Unterstützten Kommunikation (UK) anlehnen. Natürlich könnte man kritisch einwenden, dass ein separates soziales Netzwerk für Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht gerade sehr inklusiv ist, sondern eher Exklusion bedeutet. Die Macher betonen aber, dass es im Gegensatz darum geht, die Zielgruppe erst in die Lage zu versetzen, sich begründet dafür zu entscheiden, ob man soziale Netzwerke überhaupt nutzen möchte – oder eben nicht. Diese Entscheidung lässt sich aber nur dann wirklich selbstbestimmt treffen, wenn man überhaupt erst in die Lage versetzt wird, entsprechende Erfahrungen zu sammeln. In seinem Beitrag für unseren Blog Social Media für alle: Das Projekt Webinklusion der TU Braunschweig berichtet Alexander Perl ausgiebig über das Projekt. Auch der Medium-Beitrag Social Media für Menschen mit kognitiver Behinderung: zwischen Neugier und Unsicherheit von Timo Klippstein informiert über den Projektstand. Eine Fertigstellung des sozialen Netzwerks ist in den nächsten Monaten zu erwarten, dann können breitere Nutzertests in Lerngruppen gestartet werden. Projektinfos gibt es unter www.home-fueralle.org (auch in Leichter Sprache), Fragen beantwortet Projektleiter Alexander Perl (a.perl[at]tu-braunschweig.de, 0531 391 3139).